Ein selbstbestimmtes Leben zu führen war immer mein Ziel. Das wollte ich nicht nur für mich, ich wollte und will auch andere Frauen motivieren, ihr Leben in die Hand zu nehmen. Das ist meine Vision, der rote Faden meines beruflichen Wirkens. Bis in die70er Jahre hinein waren die Möglichkeiten für Frauen noch sehr begrenzt. Sie durften ohne die Zustimmung ihres Mannes nicht berufstätig sein, um ein eigenes Konto zu eröffnen, brauchten sie seine Unterschrift, viele Berufe waren für sie nicht oder nur schwer zugänglich. Diese Zeit hat mich geprägt, wie auch das Erleben, wie eingeschränkt meine Mutter in allen ihren Entscheidungen war, da sie über kein eigenes Geld verfügte.
Den ersten Einblick in die gesellschaftlichen Zusammenhänge bekam ich in Vorlesungen zur Familiensoziologie. Zu hören, wie sich die Großfamilie, in der Arbeit gleichwertig auf alle Schultern verteilt wurde und immer eine Kinderbetreuung zur Hand stand, allmählich zur Kleinfamilie wandelte, erschreckte mich. Frauen saßen nun allein mit ihren Kindern in einer Wohnung, pflegten den Haushalt und warteten auf die Rückkehr des Ernährers.
Lebensgestaltung
Die Chance, mich für Frauen einzusetzen, bekam ich mit dem Seminarmodell „Neuer Start ab 35.“ Die jüngeren Leserinnen amüsieren sich sicher über die 35 in diesem Titel, denn heute denken sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht an einen Neustart. Alles hat sich nach hinten verschoben. Die Ausbildungen dauern länger, für die Karriere will erst der Grundstein gelegt sein, die Kinder kommen später zur Welt. Für die Teilnehmerinnen damals aber kam der Kurs gerade recht. Sie wollten herausfinden, wie sie die Zeit nach der intensiven Kinderbetreuung für sich nutzen wollten. Als Dozentin für Kommunikation war es meine Aufgabe, ihr Selbstbewusstsein und ihre Zielklarheit zu fördern.
Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich entwickelte man solche Angebote. „Spurwechsel“ hieß das intensive dreimonatige Seminar. Mehrmals in der Woche kamen die Teilnehmerinnen zusammen, um ihre Entwicklungswünsche und Ziele, aber auch ihre inneren Hindernissen zu er- und bearbeiten. Da jede Frau auf unterschiedliche Weise Zugang zu sich findet, war mein Team interdisziplinär aufgestellt: Es bestand aus einer Psychologin, einer Malerin, einer Tanztherapeutin, einer Fachfrau für Recht und mir als Kommunikationsexpertin. Welche beeindruckenden Ergebnisse wir erreichen konnten, belegten regelmäßig die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen. Insgesamt 18 Jahre haben wir den Spurwechsel im Auftrag der Landesregierung Vorarlberg durchgeführt und so den Lebensweg von Frauen positiv beeinflusst.
In Folge erhielt ich den Auftrag, für eine andere Gruppe von Frauen ebenfalls ein Konzept zu entwickeln: Frauen 55plus, in dem es um das Älterwerden, die dritte Lebensphase und die damit verbundenen Fragen ging.
Doch zurück zum Anfang: Als mein erstes Kind auf die Welt kam, war es üblich, im Beruf länger auszusetzen und sich ganz dem Haushalt und der Kindererziehung zu widmen. Nach dieser Pause allerdings war die Rückkehr in den Beruf nicht leicht, vor allem, da sich die Bedingungen und damit die Anforderungen am Arbeitsplatz immer schneller veränderten. Darauf wollte ich die jungen Mütter aufmerksam machen. Ich wollte ihnen nahe legen, in der Erziehungszeit den Beruf nicht außer Acht zu lassen, den Kontakt zu ihrer Firma zu halten und sich auch um eine eventuelle Weiterbildung zu kümmern. Dafür entwickelte ich das Konzept „Zeit für mich – Zeit für dich. Junge Mütter gestalten das Leben mit ihren Kindern“. Beim ersten Durchlauf musste ich die Erfahrung machen, dass an einem Kurs, der den Beruf zum Schwerpunkt macht, kaum Interesse besteht. Erst die Kombination mit Themen rund ums Kind füllte das Seminar. Ich holte Fachleute an meine Seite, die über Erziehung, Kinderkrankheiten, Ernährung, Spielzeug, Kindergarten etc. sprachen. Erst dadurch bekam ich die Chance, meinen geplanten Schwerpunkt – Kontakthalten mit dem Beruf und trotz Kind Zeit für sich zu haben – doch noch zu vermitteln. Das Konzept wurde zum Modell in Baden-Württemberg und erreichte so weit mehr Frauen.
In vielen Seminarreihen und Workshops beschäftigte ich mich mit weiteren Themen, die für ein selbstbestimmtes Lebens eine Rolle spielen: Geld, Gesundheit, Frauen in der Presse.
Mitverantwortung übernehmen
Da die Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten, stark vom äußeren Umfeld abhängen, liegt es nahe, sich auch mit den gesellschaftlichen Bedingungen zu beschäftigen und hier eine Mitverantwortung zu übernehmen. Ich leitete die Seminarreihe „Neue Wege“, die zum Ziel hatte, Frauen zu ermutigen, im Vereinswesen neue Rollen einzunehmen: Sie sollten nicht sich auf das Kuchenbacken und das Reinigen von Vereinsräumen reduzieren lassen, sondern sich auch für die die Kassenführung oder den Vereinsvorsitz qualifizieren. Mit großem Erfolg. Besonders stolz bin ich darauf, dass die Teilnehmerinnen mit ihrem Engagement erreichen konnten, dass unser Landkreis seine erste Frauenbeauftragte in Vollzeit einstellte.
Den Frauenanteil in den kommunalpolitischen Gremien zu erhöhen, war besonders den Frauenbeauftragten ein Anliegen. So erhielt ich nicht nur den Auftrag, Anwärterinnen für ein politisches Mandat fit zu machen und einen Wahlkampf zu führen, sondern auch, gewählte Politikerinnen zum Erfahrungsaustausch zusammenzubringen. Sie konnten sich in diesem Rahmen neue Fertigkeiten in Verhandlungsführung und Strategiebildung aneignen und ihre Kreativität bei der Lösung von Problemen entfachen. Besonders beeindruckend für mich war, dass Politikerinnen aller Parteien in diesen Seminaren offen und konstruktiv miteinander diskutierten und sich auch danach noch im politischen Alltag weiter unterstützten.
Berufswahl
Ohne eigenes Geld ist ein selbstbestimmtes Leben nicht möglich, das gilt sowohl für das augenblickliche Einkommen als auch für die zu erwartende Rente. Leider spielen diese Aspekte bei der Berufswahl von Frauen häufig nur eine untergeordnete Rolle. Die „Mädchen-Technik-Tage“ waren ein erster Ansatz dazu. Natürlich wurden sie mit dem Ziel geschaffen, Mädchen für technische Berufe zu begeistern, doch konnte damit auch bewusst gemacht werden, in welchen Berufen mehr verdient wird und welche sich besser mit Familie verbinden lassen. Beides trifft auf die typische Berufswahl von Mädchen nicht zu. Ich habe an zahlreichen Mädchen-Technik-Tagen mitgearbeitet und im Auftrag von Daimler-Benz Dokumentationen erstellt. Zu anderen Aspekten im Themenkreis Frauen und Beruf forschte ich für die baden-württembergische Landesregierung.
Während heute junge Mütter so früh wie möglich in den Beruf zurückkehren wollen (oder müssen), blieben Frauen früher lange in der Familie. Erst nach einer Pause von 8, 10 oder manchmal 12 Jahren beschäftigten sie sich mit ihrem beruflichen Wiedereinstieg. In den vielen Kursangeboten der Arbeitsagentur war es meine Aufgabe, die Teilnehmerinnen auf diesem Schritt vorzubereiten, ihr in der Familienzeit klein gewordenes Selbstbewusstsein wieder zu stärken, ihre Ziele klar zu formulieren, aber auch, ihre hochstrebenden Erwartungen wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen. Denn sie glaubten oft, dort inhaltlich wieder anknüpfen zu können, wo sie aufgehört hatten mit Arbeitszeiten, auf die kein Arbeitgeber würde eingehen.
Später interessierten sich Unternehmen für dieses Angebot. Ich änderte den Titel des Seminars in „Job Comeback“ und ergänzte Inhalte. Junge Frauen brauchen nicht nur Unterstützung in Bezug auf ihre Rückkehr in die Firma, sondern auch, wie sie ihnen gelingen kann, Beruf, Haushalt und Kinder zu verbinden bzw. wie sie sich diese Aufgaben in Absprache und Organisation mit ihrem Partner teilen.
In einer Selbständigkeit sahen und sehen mehr und mehr Frauen die Chance, Beruf und Familie verbinden zu können. Auch ich habe mich aus diesem Grund dafür entschieden. Mit meinen Erfahrungen und dem inzwischen angeeigneten Knowhow begleite ich Gründerinnen auf diesem Weg und unterstütze sie dabei, das eigene Unternehmen auf eine solide Basis zu stellen. In der Selbständigkeit lassen sich die eigenen Fähigkeiten und Talente am besten einbringen. Dass dies auch als Angestellte möglich ist, möchte ich heute mit meinem Programm zur „Neustart statt Sackgasse – Wege der beruflichen Neuorientierung“ vermitteln.
Was bleibt?
Nicht nur ich, viele haben sich in der Frauenbewegung eingesetzt, dass sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen verbessern. Manches ist gelungen, manches verändert sich leider nur im Schneckentempo. Und leider sind auch wieder Rückschritte zu beobachten, nicht nur aufgrund von Corona. Es bleibt viel zu tun. Jede Frau sollte sich, wenn sie es nicht alleine schafft, die Unterstützung holen, die sie braucht, damit ihre Bedürfnisse beachtet und ihre Grenzen respektiert werden.
Wir Frauen kommen nur gemeinsam voran. Wir sollten die Solidarität untereinander noch mehr verstärken. Wir sollten akzeptieren, dass jede Frau ihren eigenen Lebensentwurf hat und Entscheidungen auf dieser Grundlage trifft. Das ist auch mein Ansatz. Ich wollte und will aufzeigen, welche Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, offen stehen und bewusst machen, mit welchen Konsequenzen die einzelnen verbunden sind. Welchen Weg eine Frau wählt, liegt ganz bei ihr.
Auf unterschiedlichen Wegen
Seminare, Workshops, Vorträge, das waren die ersten Kanäle, über die ich mit Frauen in Verbindung kam. Nach der Coachingausbildung wurden der persönliche Kontakt und die individuelle Begleitung zum Schwerpunkt. Mit dem Internet allerdings und seine technischen Möglichkeiten kann ich heute sehr viel mehr Frauen erreichen, sei es über Onlinecoaching, Zoomvorträge, mit meinen Videos und Onlinekursen. Nicht zu vergessen die Sachbücher, die ich zu verschiedenen Themen geschrieben habe, bis jetzt sind es sieben. Alle Titel sind hier zu finden.